All Things Vintage: Was ist ein Holy Grail?
Nicolas Schwandt
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"Holy Grail" hier, "Holy Grail" dort: Wir besprechen, was man in der Vintage-Welt darunter versteht, wie die teilweise horrenden Preise entstehen und wie man seinen "heiligen Gral" findet!
Was ist ein „Holy Grail“?
Von einem "Holy Grail" ist die Rede, wenn es DAS eine Teil ist, das absolut unerreichbar scheint (oder man schon immer haben wollte): Eine seltene Levi’s "Big E" Jeans. Eines der alten Marvel-Shirts, die nur auf Bestellung hergestellt wurden. Oder die original Nike "Air Mag", die Michael J. Fox in "Back to the Future II" an den Füßen hatte.Vintage Schott Lederjacke, handbemalt von Keith Haring
Ein Holy Grail kann vieles sein: Er kann, wie im letzten Beispiel, ein Unikat sein. Es kann aber auch ein altes Fußballtrikot vom TSV Hinterdupfingen sein. Das interessiert zwar außerhalb von Hinterdupfingen vielleicht niemanden und ist kein Vermögen wert, aber ein Holy Grail kann auch einen persönlichen emotionalen Wert haben. Konträr dazu gelten viele Vintage-Teile für Verkäufer*innen als Holy Grail gerade weil sie einen hohen Marktwert haben. Eines haben auf jeden Fall alle Holy Grails gemein: Sie sind selten.
Der (Markt)wert eines Holy Grails entsteht wie immer über (wenig) Angebot und (viel) Nachfrage. Nun sind Vintage-Artikel per Definition schon seltener zu finden als Stangenware von heute, weil sie entweder nicht mehr hergestellt werden – oder nur in minderer Qualität. Wenn dann noch ein prominenter Vintage-Träger ein Teil populär macht, beginnt der Hype.
Beispiele aus den letzten Jahren: Das "Weapon X"-Shirt (Travis Scott). Nike Hoodies mit Center Swoosh (yup, Travis Scott). Oder das Nirvana "Heart Shaped Box"-Shirt (Justin Bieber). Promi + Style + persönlicher Wert ergibt "Nachfrage" und einen Run auf diese Teile. Ein weiterer Faktor: Die Qualität eines Teils – sei es der herausragende Druck dieser beiden Shirts oder die erstklassige Verarbeitung der eingangs erwähnten Levi’s "Big E" Linie.
Wieviel ist (d)ein Holy Grail wert?
Wer sich unsicher ist, wieviel der persönliche Grail aller Grails wert ist – sei es weil man ihn verkaufen oder kaufen will – kann online recherchieren: Andere Shops googlen, die das Teil vielleicht schon verkauft haben. Bei eBay im Suchfilter (unter "Nur anzeigen") den Haken bei "Verkaufte Artikel" setzen. Oder höflich bei anderen Verkäufer*innen und Sammler*innen nachfragen.Wichtig dabei: Die tatsächlich erzielten Verkaufspreise sind gute Gradmesser – und nicht der Preis, für den das Piece eingestellt ist (und zu dem Preis oft seit Jahren nicht verkauft wurde). Neben überteuerten Angeboten von unwissenden Leuten geistern nämlich auch hohe Preise durchs Internet, weil manche Verkäufer*innen ihren Holy Grail eigentlich lieber behalten wollen.
Bei Unikaten oder extrem nischigen Themen (Trikot vom TSV Hinterdupfingen, remember?) kann es außerdem tricky werden wenn es online oder beim örtlichen Vintage Shop keinen Vergleich zur Preislage gibt. Aber je länger man/frau sich mit dem Thema beschäftigt und dabei die Preise im Auge behält, umso mehr bekommt man/frau ein Gespür dafür: Wenn Dir ein Teil besonders erscheint, ist es (für Dich) besonders – und am Ende muss es nur die eine andere Person geben, die für ihren persönlichen Holy Grail bereit ist, den Betrag XY zu bezahlen (oder ein anderes Stück dafür zu tauschen).
Don’t Believe the Hype
Ein gutes Beispiel für den "persönlichen Wert": Das mittlerweile berühmte "Genie"-Shirt, das für stolze 6000 US Dollar in einer Online-Auktion verkauft wurde – ohne, dass es vorher je an dieser Preisregion gekratzt hat oder sonderlich populär in der Vintage-Szene war.Klar: Dass "Aladdin" einer der beliebtesten Disney-Filme aus den 90ern ist, wusste man vorher schon. Aber dass das dazugehörige Shirt jemandem so viel wert sein würde, hatte (außer dem Käufer und seinen Mitbietern) wohl kaum einer geahnt. Was in den darauffolgenden Monaten folgte, zeigt aber auch, wie man den Preis für ein gefragtes Shirt vollkommen übertreiben kann: Weil hunderte geschäftstüchtiger Verkäufer*innen jetzt nach dem Shirt suchten, sind weitere Exemplare vom Genie-Shirt aufgetaucht. Das Problem: Alle wollten für den "Holy Grail" auch Preise im vierstelligen Bereich – und blieben darauf sitzen. Das erste teuer verkaufte Genie-Shirt war also wirklich der ganz persönliche Holy Grail eines bestimmten Sammlers gewesen. Und kein anderer Mensch war dazu bereit, 6000 USD dafür zu bezahlen.
Daraus gelernt haben manche Leute scheinbar trotzdem nichts: Auch nach dem aufgeblasenen Hype um das Genie-Shirt bewerben manche Verkäufer*innen drüben wie hüben noch alles mit "Grail", was sich nicht wehrt (und teilweise nicht mal im Ansatz selten ist). Das Wort verkommt also teilweise zu einem leeren Verkaufsargument, das spätestens dann unglaubwürdig wird wenn jemand etwas als den "Holy Grail" anpreist, den man/frau angeblich "jahrelang gesucht habe"… aber ihn dann direkt resellen möchte. Wir sind auf jeden Fall der Meinung: Der persönliche Wert ist wichtiger als der monetäre – und von einem Holy Grail sprechen wir persönlich nur, wenn unser Herz höher schlägt wenn wir daran denken.
Wie findet man seinen Holy Grail?
Egal ob man mit goldener Kreditkarte unterwegs ist oder ohne – auf der Suche nach seinem Holy Grail braucht man vor allem eines: Geduld. Oft jahrelang. Aber man kann seinem Glück auf die Sprünge helfen: Es hilft, JEDEM zu erzählen, welches Vintage Piece man sucht. Ob Vintage-Sammler*in, Freunde oder die Leute beim örtlichen Second Hand-Laden: Viele Augen sehen mehr als zwei. Und manchmal kennt jemand jemanden, der jemanden kennt… Wir haben durch solche Connections schon ein paar Grails von unserer Liste abhaken können.Online helfen außerdem Suchbenachrichtigungen, die man/frau für den gesuchten Begriff aktiviert. Kleiner Tipp: Aktiviere auch Suchen für Begriffe, die ähnlich klingen wie Dein Holy Grail (zum Beispiel "Levis", "Jeans" und "Denim" wenn du alte Levi’s suchst).
Dass viele Besuche auf Flohmärkten, Vintage Stores und eBay zusätzlich helfen, erwähnen wir an dieser Stelle einfach mal nicht ;)